Was hat Integrales Coaching mit Zen zu tun?

ZenVielleicht hast du dich schon gefragt, warum denn ein integraler Coach hier auf seinen Seiten dem Thema Zen so viel Raum gibt.

In diesem Artikel möchte ich darstellen, was Zen für mich bedeutet, welchen Einfluss das auf meine Arbeit als Coach hat und nicht zuletzt was das für dich als Klient:in bedeutet.

 

Integrales Coaching ist Arbeit am Bewusstsein

Beim (Integral) Coaching geht es in der Regel darum, erwünschte Veränderungen herbeizuführen.
Das können z.B Veränderungen in der Art sein, wie ich eine von mir nicht beeinflussbare Situation erlebe (wie eine Trennung, Verlust, Krankheit) oder aktive Veränderungen in Form konkreter Schritte nach vorn auf ein erwünschtes Ziel oder Ergebnis hin (wie das Finden meiner beruflichen Mission oder das erfolgreichere Vermarkten meiner Selbständigkeit).

In beiden Fällen ist ein ganz wesentlicher Aspekt, mit welcher Einstellung, mit welcher inneren Haltung ich mich meiner derzeitigen Situation gegenüber sehe und wie ich mich auf das erwünschte Ziel beziehe. Meiner Erfahrung nach geht es auch beim Coaching bei Weitem nicht nur um das Erlernen oder Einüben neuer Fertigkeiten, sondern immer auch um ein Einbeziehen der Arbeit an (ggf. hinderlichen) Überzeugungen und Glaubenssätzen.

Letztlich arbeiten wir im Integral Coaching immer nach einem '4-Quadranten-Ansatz', bei dem aber der 'Links Oben' (also das Individuell Innere) eine maßgebliche Rolle spielt. Details zu den Quadranten siehe hier.

Wenn dann in dem Coaching- Prozess etwaige Überzeugungen (wie 'das kann ich eh nicht' oder 'das steht mir nicht zu') bewusst gemacht wurden und sie dadurch an Kraft verloren haben, können wir daran gehen, neue Kompetenzen und Fertigkeiten (die das erwünschte Ziel unterstützen) zu 'trainieren'. Hier ist es extrem wichtig zu verstehen, wie unser autonomes Gesamtsystem 'funktioniert': verstanden zu haben, wie etwas geht, reicht eben nicht aus, um eine nachhaltige Veränderung herbeizuführen. Ich muss mich auf einen Übungsweg begeben, um die neuen Fertigkeiten in mein autonomes Gesamtsystem heineinsinken zu lassen.

Denke einfach daran, wie du einen Schuh zubindest: versuch das mal bewusst gedanklich gesteuert zu machen und dir jeden Schritt vorher zu überlegen, bevor du ihn ausführst. Oder es einfach so automatisiert zu tun, wie du es irgendwann einmal als Kind gelernt (und damit deinem autonomen System überlassen) hast.

 

Der Ausgangspunkt: 'wie es ist'

Das klingt fast zu selbstverständlich, zu banal, um es hier zu erwähnen. Und dennoch wird es so oft unterschätzt, dass ich es hier ausdrücklich erläutern möchte.

Du hast in diesem Kontext bestimmt auch schon die Formulierung gehört 'jemanden da abholen, wo er / sie gerade ist'. Was meint das eigentlich?

Einerseits bedeutet dies, dass jede Veränderung immer nur von dem Punkt, der Situation heraus angegangen werden kann, wie es jetzt gerade ist. Zu oft erleben wir, dass die aktuelle Situation als so unangenehm erlebt wird, dass wir ihr großen Widerstand entgegen setzen und alles daran setzen wollen, eine neue Situation herbei zu führen. Was nur leider in den meisten Fällen nicht wirklich (zumindest nicht nachhaltig) funktioniert.
Warum nicht? Weil - wie die Erfahrung lehrt - eine wirkliche, nachhaltige Veränderung nicht mit einem 'ablehnen und weg von' sondern nur 'akzeptieren und hindurch' (oder, integral gesprochen: 'einschließen und transzendieren') erreicht werden kann. Solange ich noch im Widerstand 'gegen' etwas bin, blockiere ich wertvolle Energien und Ressourcen, die mir dann für den Veränderungs- / Entwicklungsprozess fehlen.

Andererseits ist es eine Frage der Beziehung, der Verbundenheit zwischen Coach und Klient. Als Coach möchte ich meinen Klienten 'so sehen, wie er / sie ist', um mich bestmöglich in seine / ihre Perspektive auf das jeweilige Thema einschwingen zu können.
Dazu ist es aber sehr wichtig, dass ich mir meiner eigenen 'Filter', meiner spezifischen Überzeugungen und Muster bewusst bin, durch die wir nun mal alle unausweichlich die 'Wirklichkeit' wahrnehmen und interpretieren. Wenn mir das gelingt und ich somit mein 'Ego' ein Stück weit aus dem Weg nehmen kann, entsteht eine viel tiefere, direktere Beziehung zwischen meinem Klienten und mir, was auf Seiten des Klienten meist dadurch wahrgenommen wird, dass er / sie sich einfach 'besser gesehen' und verstanden fühlt.

Diese nahe, ja in gewissem Sinne fast intime Beziehung zwischen Klient und Coach gibt dem Klienten den sicheren Raum, in dem er / sie sich trauen kann, auch an die vielleicht unangenehmeren und bislang erfolgreich vermiedenen Themen heranzugehen und ist somit eine essentielle Voraussetzung für einen hilfreichen Coaching-Prozess.

Ein im Integral Coaching sehr hilfreicher Aspekt ist die Nutzung der 'integralen Landkarte' unseres Bewusstseins, mit der wir ein wunderbares Werkzeug haben, uns der eigenen Filter und Muster bewusst zu werden und dann besser, tiefer 'auf' unseren Klienten schauen zu können, was wiederum hilft, besser 'als' der Klient auf sein Thema schauen und uns in seine Situation einfühlen zu können.

Das ist aber nicht alles.

 

Und was hat jetzt Zen damit zu tun?

Eine spirituelle Praxis (wie z.B. Zen, das Gesagte gilt aber auch für andere Traditionen und Wege) spielt hier in mehrerer Hinsicht hinein.

Zunächst einmal ist mir wichtig zu betonen, um was es nicht geht: es geht überhaupt nicht darum, irgendetwas zu glauben oder am Ende bei der Entwicklung im Coaching auf irgendwelche 'höheren Mächte' zu vertrauen. Im Gegenteil, es hilft Coach wie Klient sehr viel mehr, in die Eigenverantwortung und zu Selbstwirksamkeit zu kommen und damit das eigene (Er-)Leben sehr viel stärker beeinflussen zu können.

Der Zen-Weg (wie alle buddhistischen Wege) beginnt mit dem, was (auf dem 8fachen Pfad im Buddhismus) 'rechte Einsicht' genannt wird. Gemeint ist hiermit ein zutreffendes, angemessenes Verständnis der Natur unseres Geistes, der Natur unseres 'Selbst' (Egos). Wir gewinnen ein kognitives Verstehen, was unser Ego eigentlich ist (ein flüchtiger, sich selbst ständig aufrecht erhaltender Prozess) und was unsere wirkliche, wahre Natur ist (die unveränderliche Stille, das reine Gewahrsein, der innere 'Zeuge', der diesen Ego-Prozess mit all seinen Gedanken und Emotionen beobachten kann). Dadurch öffnen wir uns einerseits für die Erfahrung dieser tieferen Natur unseres Seins, andererseits disidentifizieren wir uns von unserem 'Problem' und werden wir uns auch kognitiv der Relativität unserer Gedanken und Emotionen bewusst und gewinnen somit eine andere Perspektive auf unsere gewohnheitsmäßigen, oft nicht hilfreichen Muster und Reaktionen.

Durch eine konsequente Meditations-Praxis wird dieses kognitive Verständnis mit der Zeit zu einer tieferen Erkenntnis (einem 'erkennen'), einer Erfahrung unserer wahren Natur. Wir gewinnen einen zunehmend stabiler werdenden Standpunkt, von dem aus wir die Geschehnisse in uns selbst, unserer eigenen Psyche, aber auch im zwischenmenschlichen Kontakt beobachten können, ohne uns zu verstricken oder in gewohnheitsmäßige Muster zu gehen. Diese Perspektive wird in vielen Traditionen auch das 'Zeugenbewusstsein' genannt.

Aus diesem Zeugen heraus wird oft die Relativität unserer Sorgen und Probleme schnell deutlich und wir gewinnen eine viel kraftvollere Position, aus der heraus wir (ohne die typischen Widerstände gegen das, was ist) uns an den Veränderungsprozess machen können.

 

Muss ich als Klient jetzt anfangen zu meditieren?

Auch wenn ich als 'Zennie' natürlich jedem empfehlen würde, sich mal mit dem Thema Meditation zu beschäftigen 😇, heißt die Antwort eindeutig: Nein.

Selbst ohne dass wir in unseren Gesprächen auch nur ein einziges Mal das Thema Spiritualität oder Zen erwähnen, wirst du (vermutlich) einen deutlichen Unterschied zu anderen Gesprächen bemerken. Indem ich mich auf jedes Klienten-Gespräch bewusst vorbereite, nicht nur indem ich mich noch mal auf das Thema und die Besonderheiten dieses Klienten einschwinge, sondern auch indem ich (meist durch eine kurze Meditation) bewusst den Zugang zu meinem Zeugen-Bewusstsein öffne, stelle ich mich bestmöglich auf jeden Klienten individuell ein und öffne mich für das, was sich jetzt in der kommenden Session zeigen, was angenommen werden und Raum haben will. Dieses nicht-wertende, mitfühlende Akzeptieren dessen, was (in der jeweiligen Wirklichkeit des Klienten) 'ist', ist der kraftvollste Ausgangspunkt, von dem aus wir dann gemeinsam schauen können, welche hilfreichen nächsten Schritte jetzt für dich sinnvoll sein könnten.

Bei der Auswahl möglicher Interventionen und Übungen hilft dann wiederum die Nutzung der integralen Perspektive, die gerade das Integral Coaching so effektiv macht.

 

Und wenn ich selber eine spirituelle Praxis habe?

Dann können wir uns möglicherweise auf einer noch tieferen Ebene begegnen. Meine Erfahrung mit vielen 'spirituellen' Klienten zeigt, dass wir uns oft auf einer Ebene des 'Nicht-Getrennt-Seins' begegnen, was noch einmal mehr die 'Intimität' der Verbindung vertiefen kann.

Dieses gemeinsame Einschwingen in die tiefere Wirklichkeit dessen, was wir sind, ermöglicht uns beiden, von hier (dem Zeugenbewusstsein) aus anzuschauen und zu reflektieren, was für Themen, vielleicht Muster sich in der Elebens-Wirklichkeit des Klienten zeigen. Von hier aus ist es ungleich leichter zu sehen, was der jetzt nächste hilfreiche Schritt für den Klienten sein kann.

 

Geht das nur, wenn ich selber dem Zen-Weg folge?

Nein.

Eine der großen Qualitäten des Integralen Ansatzes ist es, mit Blick auf eine 'integrale Spiritualität' besser sehen zu können, was 'die eine Wirklichkeit ist', die wir alle miteinander teilen, und dass und warum es so viele unterschiedliche Perspektiven auf diese eine Wirklichkeit gibt und damit auch so viele Arten, sie zu interpretieren und zu beschreiben. Aus integraler Sicht ist es relativ einfach, durch die Unterschiede in der Sprache hindurch zu schauen, und die dahinter liegende (eine) Wirklichkeit zu sehen.

Bezogen auf die verschiedenen spirituellen Wege oder Traditionen bedeutet dies: wenn wir wissen und berücksichtigen, dass alle diese Traditionen relativ unabhängig voneinander vor teils sehr langer Zeit und in sehr unterschiedlichen Kulturen entstanden sind (in einer Zeit vor Email und Google, als die Menschen die Erde noch für eine Scheibe hielten und sie von so etwas wie der Evolution des Universums und der menschlichen Kultur noch keine Vorstellung hatten), dann können wir ganz bewusst anfangen, den all diesen Traditionen gemeinsamen Kern unserer (einen) Wirklichkeit zu sehen, auch wenn sich die Wege, die Metaphern und Mythen teilweise deutlich unterscheiden und heute meist als überholt angesehen werden können.

Für unsere gemeinsame Arbeit bedeutet dies, dass du nichts von alldem, was ich mit als 'Integrales Zen' lehre und praktiziere, glauben oder übernehmen musst.

Im Gegenteil.

Wie es der Buddha selber schon so schön ausgedrückt hatte:

"Traue nicht den Lehrern, traue keiner Lehre, traue keinen Institutionen.
Traue nur dem, was nach deiner eigenen Erfahrung wahr ist."

 

Und genau darum geht es in unserer gemeinsamen Arbeit.