- ein Interview mit Heide Liebmann

stefan logovor einiger Zeit hat mir meine Kollegin Heide Liebmann in einem kurzen Interview die Gelegenheit gegeben, mal darzustellen, was mich zu meiner Arbeit bewegt.

Das vollständige Interview gibt einen Überblick, "wie der Integrale Ansatz das Beste aus Wissenschaft und Spiritualität zu einem stimmigen Ganzen integrieren kann".

 

 

Stefan, was heißt eigentlich „integral“ im Titel deiner Angebote?

Zuerst die gute Nachricht: Integral hat hier nichts mit Integral-Rechnung zu tun! Die hat mich damals zu Schulzeiten auch schon immer überfordert.

Nein, im Ernst: integral bedeutet hier so viel wie ‚einschließend‘, ‚nicht ausgrenzend‘. Oder mit anderen Worten einfach eine Haltung, die mehr die Gemeinsamkeiten denn die Unterschiede einzelner Theorien oder Sichtweisen betont. Mit dem Ziel, einzelne, bislang unverbundene Puzzlesteinchen unserer Realität zu einem stimmigen und sinnvollen Gesamtbild zusammenzusetzen.

Wer kennt das nicht, dass engagierte Vertreter einer Sichtweise viel Energie darauf verwenden, sich von anderen abzugrenzen und aufzuzeigen, warum sie denn recht haben und die anderen nicht? In der Integralen Sichtweise folgen wir da mehr dem Wilber-Spruch ‚true, but partial‘. Was so viel sagen will wie: jede dieser Sichtweisen hat etwas Wahres und wir suchen danach diese Wahrheiten zu einem Gesamten zu integrieren. Also mehr das „sowohl als auch“ denn das „entweder oder“ zu suchen.

 

Was bedeutet das für dich?

Für mich ganz persönlich hat die integrale Sicht eine, wenn nicht die entscheidende Wende in meinem Leben eingeleitet. Wie so viele andere habe ich lange Zeit meines Lebens mit der in unserer Gesellschaft so verbreiteten naturwissenschaftlich-rationalen Weltsicht ganz gut gelebt. Mein Weltbild war eher mechanistisch, getreu der Wurzeln einer Newtonschen Physik. Nach einer tiefen persönlichen Krise habe ich dann meinen ‚spirituellen Weg‘ aufgenommen. Sah mich damit nur einem immer größer werdenden Widerspruch gegenüber: wie um alles in der Welt lassen sich diese beiden Weltsichten (naturwissenschaftlich und spirituell) miteinander vereinen oder wie können sie zumindest friedlich nebeneinander existieren? Weder in der Wissenschaft noch bei den Spirituellen gibt es hierfür befriedigende Antworten. Bei Ken Wilbers Integralem Ansatz bin ich dann fündig geworden. Seitdem wird das Puzzle-Bild immer vollständiger und stimmiger.

 

Warum denkst du, dass es hilfreich sein kann, sich mit diesen Themen zu beschäftigen?

Was ich für mich selber festgestellt habe ist, dass ein Verständnis der ‚Landkarte‘ unserer Wirklichkeit mir enorm helfen kann, alle mögliche Phänomene besser zu verstehen als mir das ohne diese Landkarte möglich war. Mit dem besseren Verstehen ergeben sich dann auch ganz neue, angemessenere Möglichkeiten, mit vielleicht problematischen Situationen kreativer umzugehen.

Ein ganz konkretes Beispiel, welches auch den Teilnehmern in meinen Seminaren regelmäßig die Augen öffnet: wenn ich einmal verstanden habe, dass und wie verschiedene Menschen sich aus unterschiedlichen ‚Quadranten‘ orientieren und unterschiedlich kommunizieren, dann wird auch auf einmal klar, warum so viele Konversationen nicht das gewünschte Ergebnis bringen. In dem Moment, wo ich das sehen und mich darauf einstellen kann, kann ich diese Konversation sehr viel besser und zielführender gestalten.

 

Wen sprichst du denn eigentlich damit an?

Eigentlich jeden ????. Nein, natürlich nicht. Zu mir kommen im Wesentlichen zwei Gruppen von Menschen:

Die Einen, die (wie ich) lange Zeit mit ihrer rational-naturwissenschaftlichen Brille durch die Welt gelaufen sind und jetzt feststellen, dass das aber nicht alles sein kann, dass das doch irgendwie unvollständig zu sein scheint. Die vielleicht eine große Sehnsucht danach verspüren, sich einer zeitgemäßen und aufgeklärten Spiritualität zu öffnen und dafür gut die integrale Landkarte zur Orientierung verwenden können. Hier kann der integrale Ansatz buchstäblich Türen zu einem Sinn-volleren Leben öffnen.

Die Anderen, die sich schon seit einer Zeitlang vielleicht mit verschiedenen spirituellen Wegen oder Traditionen beschäftigt haben und unzufrieden damit sind, wie wenig sich diese in der Regel in unser modernes Leben im 21. Jahrhundert integrieren lassen. Warum soll ich denn die Erkenntnisse und Errungenschaften moderner Wissenschaften ignorieren müssen, bloß weil ich spirituell sein möchte? Hier kann der integrale Ansatz eine tolle Hilfe sein, meine Spiritualität viel tiefer in mein ganz normales Leben zu integrieren und es so reicher und vollständiger machen.

Nicht zuletzt spreche ich aber auch noch die Menschen an, die daran interessiert sind, nicht nur ihre eigene, sondern die Entwicklung des Bewusstseins der Menschheit weiter voran zu bringen. Klingt vielleicht etwas hochtrabend, aber um nicht weniger geht es: wir sind gerade dabei, die nächste Stufe des menschlichen Bewusstseins hervorzubringen. Und das ist nicht nur schön, sondern auch dringend notwendig. Eine nachhaltig lebenswerte Zukunft werden wir als Menschen auf diesem Planeten nur mit einem höheren und weiteren Bewusstsein kreieren können. Daran möchte ich mit meiner Arbeit gerne mitwirken.

 

Was habe ich als Teilnehmer davon? Wie kann ich die Erkenntnisse in meinem Alltag ganz praktisch nutzen?

Wie an dem obigen Beispiel schon gezeigt: ganz konkret kann es mir sehr dabei helfen, bestimmte Phänomene (insbesondere Konflikte im Zwischenmenschlichen) besser zu verstehen und dann sinnvoller und angemessener darauf zu reagieren. Viele typische Konflikte z. B. im Arbeitsumfeld oder auch in Beziehungen lassen sich so positiv beeinflussen.

Nicht zuletzt aber führt ein erweitertes, ‚integraleres‘ Bewusstsein dazu, dass ich mich selber und meine Rolle in diesem Universum anders wahrzunehmen lerne. Ich bekomme plötzlich neue Antworten auf die ewigen Fragen „Wer bin ich?“ und „Warum bin ich hier?“

Mein eigenes Leben ist durch die Beschäftigung mit dem integralen Ansatz sehr viel erfüllender und Sinn-voller geworden. Das ist ein riesiges Geschenk für mich, welches ich jetzt gerne mit anderen teilen möchte.

Danke, Stefan, für dieses schöne Interview!